wir haben oft sagen hören, daß die gene die „information“ enthalten, die ein lebewesen spezialisiert. dies ist aus zwei fundamentalen gründen falsch: erstens wird dabei das vererbungsphänomen verwechselt mit dem replikationsmechanismus gewisser zellbestandteile (dns) mit großer transgenerationaler stabilität. es ist zweitens falsch, weil wir mit der behauptung, daß die dns das notwendige enthalte, um ein lebewesen zu spezifizieren, die dns (eine komponente des autopoietischen netzwerks) aus ihrer einbindung in den rest des netzwerkes herauslösen. es ist jedoch dieses netzwerk von interaktionen in seiner gesamtheit, welches die charakteristika einer bestimmten zelle konstituiert und spezifiziert – und nicht etwa nur ein bestandteil dieser zelle. daß modifikationen in diesen komponenten, den genen, dramatische konsequenzen für die struktur einer zelle haben, ist wohl wahr. der fehler in der oben angeführten argumentation besteht darin, wesentliche beteiligung mit alleiniger verantwortung zu verwechseln. mit der gleichen berechtigung könnte man behaupten, daß die politische verfassung eines landes seine geschichte besimmt. dies ist offensichtlich absurd, denn die politische verfassung ist zwar ein wesentlicher bestandteil eines landes, wie auch immer seine geschichte verläuft, aber sie einhält nicht die „information“, die die geschichte im einzelnen bestimmt.
aus: der baum der erkenntnis | die biologischen wurzeln menschlichen erkennens | humberto r. maturana und francisco j. varela | goldmann